Erziehungsstellen nach § 27 in Verbindung mit § 34 SGB VIII

Was ist eine Erziehungsstelle?

In Krisensituationen oder chronischen Konflikten kann es sein, dass eine vorübergehende Trennung von Kind/Jugendlichem und Familie notwendig und sinnvoll wird. Die offizielle Umschreibung einer Erziehungsstelle (im folgenden ES genannt) ist eine „Einzelbetreuung im Haushalt des Erziehers“. Wir verstehen darunter einen Erholungs- und Entwicklungsraum, an dem ein oder maximal zwei Kind/er oder Jugendliche/r im familiären Rahmen professionell für einen befristeten Zeitraum oder auch dauerhaft betreut wird/werden. Die Einzelbetreuung ist nicht als völlige Isolation von der gewohnten Umgebung und auch nicht als radikaler Bruch mit den familiären Bindungen zu verstehen. Je nach Fall können weniger belastende soziale Verbindungen (z.B. Schulbesuch, Freundschaften) flexibel aufrechterhalten werden. Auch Kontakte zur Ursprungsfamilie sind erwünscht und werden entlang dem Bedarf und positiven Entwicklung des Kindes/Jugendlichen vom fallverantwortlichen Team gestaltet.

Wer sind wir?

Wir als sogenannte Innewohnende sind Erzieher, Sozialpädagogen und Lehrer, und arbeiten zusammen mit dem leitenden Psychologen/Psychotherapeuten und anderen Kollegen in einem Team.

Wo sind wir?

Unsere ESn befinden sich in Hennigsdorf, Germendorf, Staffelde und Menz im Landkreis Oberhavel.

Was tun wir?

Jede Erziehungsstelle hat eine ganz persönliche Note, da sie von einem innewohnenden Individuum gestaltet wird. Ein grundlegendes Prinzip unserer Bemühungen ist die personelle Trennung zwischen der begleitenden Betreuungsperson in der Erziehungsstelle und den Kollegen des fallverantwortlichen Teams, die von außen die aufgabenspezifischen Formen der Hilfestellung in der Konfrontation mit den Problemen („Nervensäge“) bieten. Da wir nicht von einer Dauerunterbringung ausgehen, steht nicht der Beziehungsaufbau, sondern das Spiegeln in der persönlichen Konfrontation mit dem Kind- oder Jugendlichen-Selbst im Vordergrund.

Das Alltagsleben in der ES soll in sinnvollen, durchdachten, altersgerechten Strukturen ablaufen und erlebt werden können, damit emotionale Sicherheit und persönlicher Respekt auch in der Auseinandersetzung mit sich selbst und anderen wachsen kann. Durch Vermeidung von Reizüberflutung und Schaffung eines ruhigen gesprächsbereiten Klimas versuchen wir die Achtsamkeit zu fördern. Wir beobachten intensiv und gründlich den individuellen Entwicklungsstand und Handeln auf den Einzelnen abgestimmt. Um das Zusammenleben im Haushalt nicht durch die therapeutisch-pädagogische Konfrontation zu belasten, übernehmen fallverantwortliche Kollegen aus dem Team entweder in den Räumlichkeiten der ES oder in denen des Spinnennetz-Instituts in Hennigsdorf die notwendigen Interventionen. Dadurch wird es möglich, die durch die Bearbeitung innerer und äußerer Konflikte hervorgerufenen Spannungen mit Wärme und Geborgenheit im Alltag ins Gleichgewicht zu bringen. Das entspricht den Phasen des Entwicklungsprozesses: Veränderung und Stabilisierung.

Verschiedene therapeutische (z.B. systemisch, analytisch, verhaltenstherapeutisch, schematherapeutisch, verschiedene Entspannungsverfahren), pädagogische (z.B. Umgang mit intellektuellen Forderungen, Lerntherapie, Sozialkompetenztraining und Gruppengespräche, Wahrnehmungs-, Achtsamkeitsschulung) und persönlichkeitsbildende Methoden (kreatives Gestalten, Zeichnen, Töpfern, Schach, Reiten, Musik, Klettern) werden angeboten, um Problembereiche oder Blockaden zu bearbeiten und dem Verstehen zugänglich zu machen, damit die Kinder/Jugendlichen im Verlauf die Möglichkeit haben, sich für andere Wege als „bekannte, eingefahrene“ zu entscheiden. Die jährliche Hüttentour - drei Wochen in den Alpen von Hütte zu Hütte wandern - gehört als weiterer Erfahrungsschatz, sowohl für die Kinder/Jugendlichen, als auch die begleitenden Mitarbeiter zum nicht nur symbolischen Neue-Wege-Finden, dazu.

Durch die ausgewogene Balance zwischen emotionaler Stabilität durch den Innewohnende/r Erzieher und der persönlichen Konfrontation mit den Anforderungen der Umwelt durch das pädagogisch/therapeutische Team versuchen wir neue Blickwinkel auf Blockaden oder entwicklungshemmende Vorstellungen aufzuzeigen, und diese Probleme in lösbare Aufgaben umzuformulieren (Aufgabenzentrierung). Selbstverständlich sind wir als Erzieher auch bereit Eigenes zu reflektieren und an unserer persönlichen Entwicklung zu arbeiten, um ein authentisches und verantwortungsbereites Gegenüber zu bieten.